VERLAG »DER RUF« GMBH. MÜNCHEN
EINFÜHRUNG
In reicher Fülle fließen Gnaden über Gnaden herab auf die Erde aus dem Licht, zu einer Zeit, wo der Heilige Zorn sich reinigend ergießt, um zu vernichten alles Dunkel und damit von Hemmungen zu lösen, was sich ernsthaft und in Demut nach der reinen Höhe sehnt.
Es werden Schleier weggezogen von der Größe des Geschehens aus den Regionen, die ein Menschengeist niemals erreichen kann, ohne sich auflösen zu müssen in der Reinheit und der Glut, die ihm das Sichbewußtseinkönnen nimmt.
Die Gnaden werden aber ausgeschüttet nur für die, welche sich ehrlich mühen, aus den Fängen der eigenen Selbstverkettungen auf Erden hier noch frei zu werden und die Größe Gottes zu erkennen.
Nur schwache Bilder bleiben es in dem Verhältnis zu der eigentlichen Wucht der tatsächlichen Vorgänge, welche darin geschildert sind. Es soll dem Menschen in dem Ringen eine Hilfe werden, die ihn das Geschehen in der Schöpfung um sich her leichter erkennen lassen kann, da er den folgerichtigen Zusammenhang mit dem ewigen Ursprung alles dessen, was geschaffen ist, in seiner Vorstellung dadurch erst zu vollenden fähig wird.
Der Schleier öffnet sich und zeigt die für den Menschen unerreichbare Göttliche Sphäre, welche ewig war und ewig sein wird, ohne Anfang, ohne Ende ist, da sie mit Gott, dem Ewigen, untrennbar stets verbunden bleibt. Sie ist und wirkt als die unmittelbare Gottausstrahlung, welche sich niemals verändern kann.
Es ist alles ein Ganzes, immer Wirkendes, nicht nacheinander erst Erstandenes! Aber dem Auge eines Menschen kann es nicht anders als in Einzelbildern aufgerollt werden, damit er es zu überschauen fähig bleibt. Und vieles, vieles ist dabei noch weggelassen, damit der Eindruck sich nicht durcheinander schiebt und schließlich nur Verwirrung oder Unklarheiten hinterläßt; denn es sind für den Menschen unfaßbare Weltenweiten, die die Vorgänge umspannen, denen gegenüber dann die Schöpfung als die Heimat aller Menschengeister nur ein kleines Anhängsel verbleibt.
Der Schleier weicht von dem bisher geheimnisvollen Weben und dem Wirken in unmittelbarer Gottausstrahlung, und vor des Menschen staunenden Blicken soll sich davon einmal ein Bild entrollen:
IN DER NÄHE GOTTES
Ein Meer von Licht, unbegrenzt für das Auge, ein Meer von leuchtendem Leben, das im ewigen Pulsen immer wieder Kraft und Fülle schafft und verbreitet.
Allzusammenfassend — gewaltig, schaffend.
Ein wunderbares Klingen erfüllt alles. Es ist kein Ton und kein Akkord, kein brausender Orgelklang. All dieses ist zu klein, zu schwach und kaum der Rede wert in dem Vergleiche mit dem Klingen des Urlichtes! Sein Ton ist Anfang zur Wirkung nach außen, nach abwärts, während das gewaltige Göttliche sein Wollen aussendet, seinen schaffenden Odem ausatmet.
Es bewegt sich in dem gewaltigen Meere des Lichtes Fülle und schlägt hohe Wogen, und ihm entsteiget auf schaumgekrönter Lichtwelle formgeworden, sichtbarwerdend das erste schaffende Urbild, vom Geiste Gottes ausgesendet: "Die Urmutter der Schöpfung!" Sie neigt sich abwärts, von dem Willen Gottvaters aus der Liebe geformt, und ist anzusehen wie ein heller Stern, von dem Lichte des Ewigen gesendet. Mit gewaltigem Drucke hinausgeboren aus dem ersten Kraftquell, sich im Anfang noch völlig unbewußt.
Erst außerhalb des Kreises der lebendigen Kraft erwacht die Anlage des Begriffes einer Selbständigkeit, die weiter zu wirken fähig ist. Und was Gott-Vater mitgegeben als im Gesetze schwingend, das beginnt daraus zu leuchten und zu strahlen. Wie ein Stern, so schwebt dieses Göttlich-Wesenhaft Geborene in einem unabsehbaren Raume. Selbständig schon, doch verbunden auf das Innigste mit dem Urlichte. Dadurch vermag es andauernd zu flammen, glüht und schafft sich selbst eine Ausstrahlung, die es umhüllt, die weiter abwärts sinkt, in der Entfernung kühler werdend und sich festigend. Dadurch erstehen aus der anfangs weißen Strahlung Farben von zartester Schönheit, rosiges Leuchten, das mit der schaffenden Liebe eins ist und auch gleichartig wirken muß.
Schaffende Liebe! In ihr liegt das mütterliche Prinzip des Formens, des Hegens und Nährens, des Wachsens, des Fürsorgens, Pflegens und der Strenge. Und alle diese Begriffe, die lebendig darin pulsen, leuchten und klingen in einem Ton, der Liebe kündet, reinste, heiligste Urliebe. In der ersten, zarten Verdichtung aber, die um diese heilige schaffende, formgewordene Liebe sich bildet, ist ebenfalls Bewegung. Feine Spitzen heben sich aus dem Grunde des lichten Kreises, der das Innere umgibt, und streben in Sehnsucht aufwärts, ihrem Mittelpunkte zu. Sie werden dabei glühender, lichter, lebendiger und beginnen jubelnd das Sein zu erkennen. — —
Es bietet sich noch einmal voll das wundersame Bild geheimnisvollen Webens, welches außerhalb der allmächtigen Gottheit sich vollzieht, durch deren Ausstrahlung unter dem Drucke des Heiligen Gotteswillens.
Aus dem leise singenden rosenfarbigen Licht, das von Weißstrahlen durchströmt in dauernder Bewegung des Entwickelns sich weiter und weiter ausdehnt, sinken unzählige sternengleiche, leuchtende Flammen, die wie Schneeflocken blitzend tanzen und leise, leise abwärtseilen.
Nichts ist, als der unendliche Raum dieser Lichtfülle und sein Glanz, sein warmes Leuchten, das Funkeln dieser unzähligen Sterne. Oben als Spitze zuerst eine leuchtende Krone. Diese und alles, das sich aus dem urgeschaffenen Wollen formen soll, ist umhüllt von dem Glanz der Göttlichen Liebe, der Reinheit und den Strahlen der Gerechtigkeit.
Wo aber die Strahlen aus dem Göttlichen Willen zum ersten Mal formannehmend an eine bestimmte Grenze kommen, bildet sich durch die Entfernung und Abkühlung stauend ein Ring, ein Reif worin die Strahlen abkühlend sich verändern, spalten und dann nicht nur senkrecht, sondern auch waagerecht hinaus in den Raum weitergehen.
Es ändert sich dabei Farbe und Dichtheit in einer Art Lichtbrechung, und so entsteht eine Ebene, die wie ein weiter wunderbarer Mantel die Urmutter, Urkönigin Elisabeth, umgibt.
Nun teilen sich die klingenden, singenden Lichtschleier des Heiligen Strahlungsmantels der Urkönigin Elisabeth und ihr leuchtendes Gesicht blickt lächelnd hinab auf die in der ersten Abkühlung erstandenen lichtdurchfluteten Gärten, in denen die Tugenden einzeln erblühen und Form annehmen. Die Gedanken Gottes, als schaffende geistige Vorbilder, erstehen dort zu Gestalten, die diese reinsten, heiligsten Quellen hüten.
Sie sind geschaffen aus Gottes Willen zum Vorbild der Schöpfung.
Jeder dieser Gärten der Tugenden ist mit Leben erfüllt und mit Licht. Jeder gedeiht und wächst in die Höhe wie auch in die Weite und wirkt strahlend nach außen. Jeder ist für sich ein Ganzes und doch in der Gesamtheit nur ein Glied und eine Art. Harmonisch schwingt diese Art in der seligen Begeisterung, in Gottes Nähe dienend wirken zu dürfen, stetig, rein und treu, und unverrückbar im Gesetz. Seligkeit und über Erfassen große Freude bietet allein schon dieses gemeinsame Schwingen ohne irgend welche Störung!
Das ist die Sphäre der unmittelbaren göttlichen Ausstrahlung, also die göttliche Ebene.
Der höchste dieser Gärten, deren jeder einzelne Riesenweiten umfaßt, ist der Garten der Reinen Lilie; denn die Reinheit als höchste Tugend hat ihren Platz unmittelbar zu Füßen der Urkönigin, anschließend an deren persönliches Strahlungsreich, in dem nichts anderes gestaltet zu sein vermag als die Urkönigin selbst.
In dem Garten der Reinen Lilie trägt als Königin die Lilienkrone Irmingard. Sie trägt den Namen Irmingard seit Ewigkeit. —
Wenn ein Geist begnadet wird, das Bild der Urkönigin Elisabeth schauen zu dürfen, so entwickelt sich in zartestem Leuchten an oberster Stelle zuerst die Lichtkrone mit sieben leuchtenden Lichtsternen. Blondes, eigentlich weißgoldenes Lichthaar fließt wie ein Strahlenstrom aus der Krone und rahmt das weiße, schmale, göttliche Lichtgesicht der Urkönigin ein, deren tiefblaue und dann wieder golden leuchtende Augen dauernd leben, flammen, strahlen wie lebendige Kraft. Sie blicken in unermeßlicher Klarheit, in Güte, Strenge und in Reinheit.
In ihrem blauen Lichtmantel pulst das Leben. Strahlend bricht es hervor aus dem herrlichen Gefäß, das, durchsichtig wie Alabaster, die Form einer wunderbaren, vorbildlich schönen Frauengestalt annimmt. In dieser weißen Körperschale wogt ein goldlichtleuchtendes Flammenmeer. So pulst und strömt Lichtleben durch die ganze Gestalt wie im Menschenkörper das Blut.
Immer klarer wird die Gestalt, die an Leuchtkraft und Bewegung andauernd zuzunehmen scheint. Mit den Füßen steht sie auf prächtigem Boden, der sich zum Garten wachsend gestaltet. Goldleuchtende Bäume, goldleuchtende Straßen, Lichtströme wechseln ab in diesem Garten der göttlichen Ebene. Unermeßliche Ausmaße hat dieses Reich mit seiner unbeschreiblichen Schönheit.
Die das schaffende Leben hindurchlassende, strahlende Urkönigin wächst dabei ins Riesenhafte, Unermeßliche. Sie ist in allem so groß, daß es Menschensinn nicht zu fassen vermag. So ist die Urmutter der Schöpfung, Elisabeth, die Königin, die Allerreinste, die Einzige! Es klingt und singt um sie wie von Milliarden seliger Stimmen und dennoch in einer hauchzarten Art. In ihrer Nähe und aus ihr vermögen nur Strahlen zu sein. Es klingt und singt und brauset, immer mächtiger kreiset das große, wunderschöne, heilige Leuchten, umhüllt mit dem lebendigen Mantel des Waltens der Urkraft, fußend auf den goldenen Gottesgärten, waltend und wirkend, den Willen Gottes in die Form kleidend, in die Urform.
Inmitten der Lichtkrone der Urkönigin strahlt ein Licht wie Smaragd. In ihm spiegelt sich der Strahl aus Gottvater: Die Kraft, die von Imanuel ausgeht und in Parzival verankert ist. Zur Rechten glühet in der Krone wie ein Brillant das alles durchleuchtende belebende Licht der reinen helfenden Liebe! Ihr Strahl durchglüht und durchpulst die Schwingung des schaffenden, lebendigen Wirkens der Königin und legt sich, alles mit ihrem sanften Schimmer umhüllend, über ihr ganzes Sein. Es ist aus dem Strahl, der Jesus mit Imanuel verbindet in Maria, der Rose, einem wesen-losen Teile aus Imanuel, der mit Jesus in unmittelbarer Verbindung steht.
Diese beiden obersten Strahlen, die die Urkönigin durchströmen und sich in Parzival und Maria formen, sind Licht aus dem Lichte, Seiendes Leben aus Gott! Zur Linken schimmert es in der Lichtkrone wie eine prachtvolle Perle. Machtvoll glänzt dieses Licht von der Urkönigin heiligem Haupt, und machtvoll sendet es seinen Strahl.
Zu der Urkönigin Füßen sinkt dieser göttliche Schimmer in das zum ersten Mal in der göttlichen Ebene Formtragende der goldenen Gärten und wächst dort als Urbild der Reinheit, weißstrahlend, in wundersamer Schönheit, auf dem Gipfel der Vollendung in Gestalt einer Lilie empor: Irmingard. Sie ist die oberste formgewordene Tugend aus Elisabeth.
Und unter dem Garten der Reinheit reiht sich Garten an Garten, welche die einzelnen Tugenden bergen und von sich aus weiter strahlen in ihrer jeweiligen ganz bestimmten Art.
Elisabeth aber waltet über allen als aufnehmendes Gefäß und wirkende Kraft, und aus den Urbildern der Tugenden in Göttlicher Sphäre erblühen in weiterer Folge die Altesten, das heißt die Ewigen.
Die formgewordenen Gedanken Gottes tragen in sich die ausstrahlende direkte Kraft und bergen das Ganze, das heißt, sie schwingen jeder für sich im Kreuz, sind also aktiv und passiv zugleich. Sie leben in der göttlichen Sphäre.
Ihre Eigenart aber erzielt einseitige Strahlungsbetätigung nach einer bestimmten Richtung, und daraus wird abwärtsgehend im Reingeistigen eine Spaltung bewirkt in besonders positiv und besonders negativ einseitig schwingende Arten. Diese gestalten sich, ihrer Eigenart entsprechend, männlich oder weiblich. Sie alle sind als Kinder aus dem Garten Gottes zu betrachten.
Diese erst bilden den Kreis der höchsten Urgeschaffenen im Reingeistigen, also außerhalb der göttlichen Sphäre.
Durch ihr Wollen erbauen sie dort den Tempel, die Heilige Burg, zur Anbetung Gottes, dem sie danken, dem sie ewig dienend leben in Glückseligkeit. Sie bauen ihn nach dem Urbilde im Göttlichen.
PARZIVAL
Zu groß ist das Geschehen in den höchsten Höhen, um es in der Menschen Worte folgerichtig einzwängen zu können. Deshalb erstehen Einzelbilder aus dem Ganzen für das leichtere Erfassen, und in menschliche Begriffe eingezwängt.
So erscheint Elisabeth mit dem Knaben Parzival auf dem Arme. Klingende Worte tönen von ihren Lippen:
»Der Knabe ward geboren in den Geist aus mir, zur Erstarkung der Schöpfung und zu der Heiligen Erfüllung göttlicher Liebe.
»ICH BIN!« war das Wort, das von oben sank und durch mich Form annahm. Die Heilige Liebe, gepaart mit der höchsten Reinheit hat Parzival geboren, den Geist der Gerechtigkeit.
Aufsprang gleichzeitig der Bogen des Himmels, und blendend floß Licht über die Grenzen des engsten Kreises, und in dem Garten Seines Vaters flammte das Leben und durchglühte mein Wirken.
Ursame auf Ursame troff dann herab in die geheiligte, bereitete Schale, die lebenspendend durchdrungen ward.
Klingend flossen die Tropfen der Kraft, flammend golden rieselten sie durch den Kreis der aus dem Wollen gebildeten Spitzen der göttlichen Tugenden und spalteten sich in männlich und weiblich.
Auf und nieder stiegen die Göttlich-Wesenhaften Helfer, festigend und stützend den Ursamen in dem neuen Boden, und es wuchsen Säulen um Säulen, hoch anstrebend im dankenden, jubelnden Dienen und Erkennen. Nach oben reckten sie sich, betend zum Vater in ihrem ganzen Sein. Gewölbt wurden sie von den helfenden Spitzen der Kräfte, die ER nach unten strömte — uns zur Hilfe.
So ward das Haus um den Knaben Parzival, die Stätte der Kraft und der schirmende Hort um den Born des Lebens.
Aufflammte das reine Gefäß, das in sich getrunken das Leben, und strömte es weiter, belebend und schaffend im ewigen Gesetz.
Und lebend und schaffend wirkte weiter, das da erwuchs, ausströmend die reine Kraft der vollendetsten Schönheit, zu Ehren des Schöpfers. Also erwuchsen aus dem Garten Gottes die Höchsten, die Getreuen Parzivals.
Im Ring umgaben sie den glühenden leuchtenden Born der Kraft Seines Vaters. Anbetend in freudigem Schaffen!
Und immer strahlender leuchtete dadurch das Reich der Urschöpfung und dehnte sich nach abwärts, nach außen, durch abkühlende Verdichtungen.«
So klangen die Worte aus der Urkönigin Munde. –
WIRKEN IN ANBETUNG
Im Schwingen des Lichtes bebt ein leuchtend heller Ton. Er ist annähernd zu vergleichen mit dem glockenhellen Singen eines reinsten Kristallglases, nur viel lauter, hell und leuchtend, aber dennoch zart wie der Hauch des Windes.
Also ist der Klang des Lichtes in den ewigen Gärten der Reinheit, da die Reine Lilie aus dem Wollen der Urkönigin sich entfaltet. Sie ist der formgewordene Begriff der lautersten Reinheit, die sich nicht trennen läßt von Liebe und Gerechtigkeit.
Wie das goldene Lichtgewebe einer herrlichen Blütenknospe entsprießt sie dem flutenden Mantel der Allmutter, und um sie scharen sich die Ausstrahlungen, die sie selber anzieht und auch wieder spendet, in wundervoll klingendem, schöpfendem, erhaltendem und wandelndem Pulsen aus dem Gesetz.
Und diese Ausstrahlungen, ihr dienen wollend, helfen wollend, wirken wollend, strömen zu ihr zurück und gehen wieder von ihr aus in wunderbarem in sich geschlossenem Kreisen. Davon entsteht der wunderliebliche Klang in dem Lichtreiche der göttlichen Tugend, der Reinheit.
Eine Frische strömt in ihm, die der kühlen Sonnenluft auf blendenden Schneefirnen ähnlich ist, und ein Hauch von Wärme fächelt darüber hin, wie der zarte Duft der Blüten an warmen Maimittagen. Die Reinheit der Quellen, die ihr Nahrung geben und die aus dem Lichte fließen, ist von blendendem Glanze, perlend sprudeln sie aus dem schwingenden Urgrunde.
Menschensinn kann es nicht fassen, das Bild der göttlichen Tugend im Ursprunge — ihm wird nur ihre Ausstrahlung bewußt.
Es neigt sich von oben aus hellem kreisendem Lichte eine zarte schöne engelähnliche Erscheinung herab. Sie bildet sich, langsam Strahl um Strahl und Form um Form, aus der beweglichen, flutenden Lichtstrahlung der wunderschönen Lilie. Sie steht, ihre weiß-goldenen Blätter wie in Anbetung und Empfang der göttlichen Kräfte hebend, in einem goldenen Hain, dessen feine Gräser duftend, aufstrebend leise zittern und schwanken.
Blitzende Tropfen fallen wie Tau aus dem Lichte, und in ihrer blühenden strahlenden Fülle formt sich ein lichtes, webendes Urbild der Anmut und Reinheit.
Klar wie helles, kristallenes Wasser strömt aus den Händen der immer mehr weiblichen Liebreiz gewinnenden Willensform, ein grünlich-golden leuchtender Schein, der sich kristallisiert.
Und diesen Strahlungskristall trägt der darin formgewordene Gedanke reinsten Wollens hin vor das Heilige Gefäß, um das sich die Schöpfung bildet. Es strömt und wallt und pulst in dem leuchtenden Born des Lebens, dem der Name gegeben ist: Der Heilige Gral.
Viele solcher Lichterscheinungen treten aus den Gärten der himmlischen Tugenden, sie verkörpernd mit ausstrahlender Kraft, die allein einen Ursprung hat: Das Licht Gottes.
Strahlenstern um Strahlenstern fügen sie eng aneinander, lieblich leuchtend in ihrer Verschiedenheit der zartesten Farben und dennoch ineinander verschmelzend zu einem kreisenden, schwingenden Ringe, der blendend strahlt: Der erste Ring um die Heilige Schale des Lebens.
Und diese Hüter des Heiligen Grales sind es, die durch ihr anbetend jubelndes, lebendiges Dienen die Heilige Burg erhalten und hinabwirken, da sie die Ausstrahlung nicht vermeiden können.
Es ist da das Urbild der Schönheit, der Kraft, des Mutes, der Weisheit, der Barmherzigkeit und viele andere mehr. Alle die Ströme des geistigen Wollens, die sie aus sich entfalten, sie fließen empor in Anbetung, strahlen auch hinaus und hinab und formen sich, ihrer Urform entsprechend. Sie werden so hinausgeboren und wieder angezogen von der Kraft edelster Gleichart, und immer wieder werden sie erneut von dem Strom des lebendigen Wassers aus dem Heiligen Gral.
So formen sich und bauen sich die Gärten Gottes aus dem freudigen Wirken in der reingeistigen und von dieser weiterstrahlend auch in der geistigen Sphäre als Nachschöpfung und wirken mit an dem Paradies! Und es blühen dort Blumen in vollendetster Form, Schönheit und Fülle. Es wachsen zur Freude der Ewigen die strahlenden Früchte an den himmelanstrebenden, leuchtenden Bäumen.
Damit bauen sich die Schönheiten der vorbildlichen Natur, die alle Geschöpfe Gottes umgeben, nähren und erhalten soll, und aus ihr wieder formen sich die Kräfte, die feurig, flüssig, luftig als die Urströmungen der uns bekannten Elemente wirken.
Dann erst formen sich die Urgebilde der Kristalle, der Gestirne, und es bilden sich Welten in vollendeter Schönheit und Verschiedenart, und immer gedeiht auf ihnen Art um Art.
Die bindenden, fördernden Wesenheiten aber, die solche Bildung bewirken, sind stets um eine Stufe höher als ihre Schöpfung. So fügt sich das Wirken der reingeistigen, der geistigen und der wesenhaften Hüter zu einer wundervoll stützenden, aufbauenden Burg nach oben, die das Reich Gottes ist, zu einer Kette wirkender, gedeihlicher, segenspendender Kräfte aber nach unten. —
*
Ewig, im leuchtenden Pulsen des Lichtes, bewegte sich die so erstandene göttliche Schöpfung. Gott hatte ihr einen Herrn gegeben, den Hüter und Lichtträger, aus dem die Kraft dauernd fließend ihr immer neu und immer gleich zu eigen werden durfte: Parzival.
Beseligt jubelten die reinen Flammen, die des Lichtes König und des Lichtes Hort umgaben. Im Dank wirkten sie ihr Bestes, im freudigen Empfangen wie im Geben. Dauernd gehend aus der Überfülle ihrer Seligkeiten durften sie dauernd weitertrinken von dem Born des Lebens.
Flammend, glühend und in allen Lichtfarben sich spiegelnd, entwickelte sich das Reich Gottes zum Paradies. Und Parzival, der König, der Sohn aus dem Urlichte als Teil Imanuels, thronte über dem Heiligen Gral und spendete der Schöpfung die Kraft des Lebens.
Immer weiter entwickelte sich die Nachschöpfung. Die wesenhaften Kräfte wirkten immer mehr nach außen, nach unten und verdichteten ihre Arten. Von Stufe zu Stufe reichten sie einander ihre helfende Liebe und dienten alle dem Einen, dem Herrn und König der Schöpfung und damit auch Gott.
Sie brachten Kunde aus der Tiefe und sie holten sich durch ihr reines Schwingen im Willen des Höchsten ihre Weisung für ihr Wirken.
DIE MENSCHENGEISTER
DER NACHSCHÖPFUNG VERSAGEN
Da sandte Gottvater eine Leuchte aus, die Menschengeister in der Grobstofflichkeit zu erhellen. Luzifer war es, der Erzengel einer von den Stufen Seines Thrones. Und Gott gab ihm die Kraft, daß er die Menschen erleuchte mit dem Lichte des Verstandes, auf daß sie das gottgegebene Empfinden ihres Geistes damit nützen konnten und völlig wirksam gestalteten in der schweren Stofflichkeit.
Leuchtend und brausend senkte sich Luzifer der Stofflichkeit entgegen, freudig den Wunsch des Herrn erfüllen wollend. Und eine Zeit verging.
Dann aber ward den Hütern eine Bewegung gewahr, die sie bisher noch nicht erlebt hatten, ein Hemmen, Stocken. In ihrem Wirken hatte sich nichts geändert, und ewig gleich und wunderbar strömte singend, brausend und leuchtend Gottvaters Liebe durch ihren König zu ihnen herab.
Von Art zu Art drang die Kunde immer höher empor und machte sich fühlbar wie eine Gegenbewegung in dem Strom des lebendigen Kreisens der Gesetze. Sie wußten, daß dieses nur aus Luzifer kommen konnte und sie schwangen im vereinten Wollen mit gesteigerter Kraft immer stetiger in der dienenden Liebe.
Sie klagten nicht, sie bangten nicht, aber das Licht strömte nicht mehr so hemmungslos flutend wie ehedem. Die Wesenhaften in den tieferen Sphären waren erfüllt mit derselben Kraft Gottes, denn auch sie dienten treu und unverbogen, aber sie sahen mit Sorge auf das Tun des Menschen! —
Eine Flamme kniete im Schmerz der Liebe vor Parzivals Thron. Sie war Irmingard, die Reine Lilie, das Urbild der Reinheit, beschützt und geführt von der Himmelskönigin Elisabeth selber, und ihre Sorge galt dem Erdenweibe.
»Luzifer vermag nie wieder die Ringe des Grales zu durcheilen!“ so klang es metallisch schwingend, silberhell und doch weich aus Parzivals Munde. „Sein Lichtschwingen wird ihm absterben und immer tiefer wird er sinken. Anziehen wird er Schwingungen aus Geistsamen, und diese werden sich ihm hinabziehend vereinen. Das Erdenweib aber hat versagt durch eigene Schuld; denn es hat seinen freien Willen falsch gelenkt!«
Aus dem Urbilde der Reinheit perlten zwei rote Tropfen wie Herzblut auf den weißen Stein des Heiligen Grales. So furchtbar schwer lastete auf Irmingard das Leid des Weibes; denn sie wußte, was nun kommen mußte: Der Sturz des ganzen Menschengeschlechtes!
Ihre leuchtenden Augen vertieften sich, größer und blauer blickten sie auf zum Herrn, schimmernd im feuchten Glanz des Schmerzes. Die weißen Hände falteten sich wie zarte Blätter, das Oval des leuchtenden Gesichtes erschien noch zarter, die blühenden Lippen bebten leise, als vermöchten sie nicht, die Größe des Empfindens zu formen.
Aber die Bitte stieg zu Parzival empor und durch Ihn hinauf zu Gottvater.
»Herr, laß die Menschen nicht in Luzifers Krallen! Rette sie, Herr, ich bitte Dich!«
Und Parzival legte die leuchtende Rechte gewährend auf das Goldhaar der Reinen Lilie. Er sprach noch nicht das Wort, aber der Wille des. Vaters flutete erfüllend durch Ihn herab.
HILFE AUS DEM LICHT
Und also geschah es, daß im Willen Gottvaters beschlossen war, einen Teil aus Seiner Kraft hinabzusenden in die Nachschöpfung, zur Sammlung von Erfahrung, und zur Hilfe für die wankende, strauchelnde Menschheit, die nahe war zu stürzen.
Und es löste sich der Heilige Geist und ward sichtbar über dem Heiligen Grale in Gestalt einer weißleuchtenden Taube. Dann senkte Er sich hinab zur Erde.
Trübnis und Dunkelheit aber lastete schon auf der Erde. Es hatte sich in den großen Zeiträumen der Erdentwickelung die Menschheit immer mehr verschlechtert. Nur wenige lichte Stellen leuchteten noch auf ihr, die reiner Boden gewesen wären, Gottesstrahlen zu empfangen.
Nebel zogen über die Erde, doch die Strahlen der Sonne brachen sich Bahn und beschienen manch herrlichen Flecken. Steile Felsenklüfte dehnten sich in unermessener Öde. Sie waren anzusehen wie eine gewaltige Trutzburg. Über ihnen blieb die lichte Taube einen Augenblick schwebend stehen, dann nahm sie ihren Weg weiter nach Persien.
In ungeheurer Höhe, kaum jemals einem Menschenauge erreichbar, dehnte sich an dessen Grenze das sonnige, blühende Reich der Ismanen!
Reinheit und Friede breiteten ihr strahlendes Licht über diese Stätte, ein Licht, das nicht von dieser Erde war. Der Fürst der Ismanen wandelte in seinem Garten, der in prangender, duftender Fülle sein prächtiges Schloß umgab.
Weiß war sein langes Kleid und völlig schlicht; Haar und Bart flossen in reicher weicher Fülle herab und umrahmten das schmale, braune Antlitz, dessen junge Augen wie zwei strahlende gütige Sonnen weise und milde, aber kraftvoll leuchteten.
Is-ma-el, der Fürst der Ismanen, der ihnen Führer und Lehrer, Priester und Herrscher zugleich war, erhob sein Angesicht zum tiefblau leuchtenden Himmel und ein Strahl des Lichtes verklärte sein Gesicht. Er hatte das Nahen der Heiligen Taube empfunden und neigte seinen Geist, um der Stimme seines Inneren zu lauschen.
Sein Antlitz erhielt einen überirdischen Ausdruck und seine Augen schauten verklärt.
»Ja, Herr!« flüsterte er, »ja!«
Dann wandte er sich schnell seiner Behausung zu. In seinem Gemach, das von der üppigen Schönheit kunstreich verarbeiteten Edelgesteins und Goldes erstrahlte, legte er die Schuhe ab und lagerte sich erwartungsvoll auf ein weißes Fell.
Das Haupt in die Hände gestützt, sah er gespannt in eine Schale aus reinstem Jaspis, auf deren Grunde ein wunderbar geschliffener Stern ruhte. Nicht lange währte es, dann begann die Schale leise zu klingen. Es nahte ein lichtes Weben, ein Duft von Rosen und Lilien, und ein zarter schleierfeiner Glanz, von einer blauweißblitzenden Sternenkrone überstrahlt. Goldenlichte Augen sahen aus der Flut der Schleier, die sich vor Is-ma-els geblendetem Geistesauge bildeten, damit er diese Lichteskraft ertragen konnte, und eine Stimme drang durch seinen Geist, tief in sein Herz:
»Höre, Is-ma-el, Fürst der Ismanen! Ich rufe Dich zu treuem Dienst!
Gehe hin an die Stätte, da die weiße Taube Dir erscheint. Nimm Deinen Stab und Dein Pferd und folge Deinem Führer. Einen Knaben sollst Du finden, der soll Abd-ru- shin, das ist »Sohn des Heiligen Geistes«, heißen. Ein Kind von einem Jahre. Er ist Parzival, mein Sohn! Hüte ihn vor der Mordlust der Menschen und leite ihn, daß er die Wege des Lebens geebnet finde, wenn seine Zeit kommen ist.
Höre und folge meinen Worten. Sein Vater sendet Dir die Kraft!«
Leise, wie sie entstanden war, schmolz die lichte Gestalt vor den starren Strahlen des irdischen Sonnentages. Unmerklich fast schwebte noch die letzte Erinnerung des Blumenduftes durch den Raum.
Is-ma-el erhob sich. Wie neugeboren fühlte er seinen Körper. Er klatschte in die Hände. Einige seiner höchsten Diener und Freunde kamen daraufhin und hörten mit Staunen seinen Befehl. Is-ma-el rüstete sich zur Reise und sagte nicht, wohin sie ginge, erzählte nichts von ihrem Zweck. Die schweigenden Mienen der Ismanen drückten keine Frage aus. Freudig gehorchten sie seinem Befehl. — (Ismael war derselbe hohe Geist, der später als »Johannes der Täufer« das Erdensein des Gottsohnes Jesus kündete.)
Die Jahre rannen dahin auf Erden. — In der Ewigkeit waren sie gleich dem Bruchteil eines gewaltigen Lichttages. Unermeßlich, irdisch unvergleichbar ist das Erleben in den lichten Höhen. Jeder Wunsch, jede Bitte wirket dort lebendig und löst sich sofort aus. Jedes reine Streben bringt sofort Erfüllung.
Wunderbar, dem Ideenkreise des Menschen auf Erden unerfaßlich ist das Weben dieser lichten Gesetzesfäden, die mit solcher Zuverlässigkeit arbeiten, daß nichts, aber auch nicht das Kleinste verloren gehen kann.
Treu scharten sich die helfenden, dienenden Kräfte um die Reine Lilie, die gleich einer flammenden Säule lodernd an den Stufen des Thrones vor Parzival gekniet hatte.
In der Heiligen Stunde des Mahles war sie es immer, die Reinste der Reinen, die dem König die Heilige Schale tragen durfte. Sie allein war dazu auserkoren. All ihr Leben lag in diesem Dienste und die Kraft Gottes strömte zuerst durch sie, sobald sie die Heilige Schale aus den Händen ihres Königs empfing. Leuchtend verband diesen die Kraft mit dem Urlichte und leuchtend strömte es durch Irmingard.
Seitdem aber der Gotteswille die Stofflichkeit berührt hatte, trug die Reine Lilie heißes Verlangen, ihm dienend auch dahin zu folgen. Und ihre Sehnsucht ward Gebet. Die reine Bitte der Empfindung fand sofort Verwirklichung. Und es begab sich das heilige Mysterium, daß der Lilie ausstrahlende Kraft durch Gottes Güte in einen Menschenkörper gesenkt ward.
Gleich einem Lichtstrom floß sie hinab zur Erde, dem Weg der Heiligen Taube folgend, und weiter, über die Wüsten und Meere strömte die Kraft der Reinheit, unter höchstem Schutz und stärkster Führung, nach dem Lande Ägypten.
Viele liebliche, blumengleiche Wesen scharten sich Engeln gleich um sie. Sie bauten ein Netz von Lichtfäden, in das sie eingesponnen ward zum Schutze vor der Trübnis, die von unten kam. Zwei leuchtende Schildjungfrauen standen ihr zur Seite, und über ihr wehte die Kraft des Heiligen Geistes.
Astarte aber, das liebliche, wesenhafte Abbild der Reinheit, die Hüterin der Ehe und Schützerin aller Erdenfrauentugend, sie flog ihr jubelnd entgegen, frohlockend, daß ihr nun durch höhere Kraft wieder Verbindung würde zu der gefallenen Erdenweiblichkeit. —
So trat Irmingard als Nahome, eine ägyptische Fürstentochter, in die Grobstofflichkeit unter die Erdenmenschen, um Parzival, der ihr vorangegangen war und auf der Erde Abd-ru-shin genannt wurde, zu dienen, wie sie ihm oben diente in der lichten Burg des Heiligen Grales.
Damit verankerte sie unter dem Schutze Abd-ru-shins auf Erden die Reinheit zur Hilfe der Erdenweiblichkeit, die ihre Strahlen nun unmittelbar empfangen konnte, wie auch alle der Erde nahen wesenhaften Helfer, welche daraufhin viel mehr erstarkten und kraftvoller wirken konnten.
Als Parzival den Erdenleib und damit diese Erde dann verließ, um wieder in die Heimat aufzusteigen, löste sich zu gleicher Stunde auch Irmingards Lichtgestalt von ihrer Erdenhülle, welche als Nahome bekannt gewesen war, und sie verband sich, Halt suchend, fest mit dem leuchtenden Strahl, der aus Parzival-Abd-ru-shin noch auf der Erde verankert zurückgeblieben war.
Langsam stieg sie dem verklärten Leibe ihres Königs nach, höher und immer höher, zuletzt ganz in ihm stehend und mit ihm den Erdenbann verlassend, alle Ebenen durcheilend mit der Schnelligkeit des reinsten Lichtes. —
Die Reine Lilie war in das Licht der Heimat wieder eingegangen. Brausend strömte der Ton der hohen, göttlichen Ebene um sie. Es rauschten die Fittiche der Engel, die aus dem Urquell des Lebens schöpfend ihre Schalen neigten und die Heiligen Gärten der Lilie nährten. Parzival aber war als Teil des Heiligen Gotteswillens in den Urquell der Kraft eingegangen und verblieb da eine Zeit. Sein Wille wirkte jedoch immerfort hinaus in alle Schöpfung, und es bereitete sich im Schoße der großen, urewigen Weisheit ein neues Schwingen zum Anfang eines neuen Ringes. —
Es lebte die Rose des Lichtes im Heiligen Gral: Maria! (Ist nicht Maria von Nazareth) Goldenes Licht strömte aus ihr und die kristallenen Tropfen reinsten Wassers sickerten belebend und nährend dauernd aus dem Lichtstrom Gottvaters durch sie. Sie war ewig jung und ewig reif, ewig voll Kraft und ewig spendend, und die Ausstrahlung ihrer Art war Liebe.
Sie war die andere Hälfte der lebendigen Gerechtigkeit aus dem Wesenlosen, war mit ihr eines und von ihr ein Teil. Wo die Gerechtigkeit in Strenge schlagen mußte, da glich die Liebe nach dem Gesetze heilend aus.
Und abermals sollte sich an der Schöpfung eine große Gnade erfüllen, in der Liebe Gottes: Was Parzival als Abd- ru-shin begonnen, das sollte Maria als Kassandra auf Erden vollenden.
Und der Wille des Herrn vollzog sich im Heiligen Gral! Es glühte und wogte die Heilige Schale, in die der Vater Sein Licht strömte durch den Sohn.
Weiß wie Kristall und durchscheinend strahlend wie ein großer Diamant, so thronte auf lichtgoldenem Hochsitze König Parzival. Aus seinem Haupte, das den silbernen Helm mit der Krone trug, leuchtete die Taube. Seine Augen waren klar wie Gold und die Fülle seines Lichthaares reichte bis auf seine Schultern. In den Händen, die durchscheinend waren wie Alabaster, hielt er das Schwert.
Ihm zur Rechten saß Maria in strahlend weißem Gewande. Irmingard aber kam, gefolgt von einer Schar lieblicher Frauen, aus einer Halle zur Linken des großen Saales, über breite, leuchtende Stufen herab.
In ihren erhobenen Händen trug sie die Lichtschale, die sie knieend dem König des Heiligen Grales bot.
Es klang dabei wie Orgelton gewaltiger Glockenchöre. Es pflanzte sich das Klingen in unzählbaren Wellen fort, und immer neue Ströme reinsten Lichtes von oben drängten nach.
Die weiten Säulenhallen waren dicht gefüllt von unabsehbaren Scharen strahlender Geister. In all dem Glanze und dem Klang des Lichtes webte beseligende Anbetung Gottes durch die Heilige Burg.
Und neues, noch verstärktes brausendes Schwingen des goldenen Lichtes flutete heran, das aus dem Gottgeheimnis ausgesendet wurde mit dem Wort des Vaters:
»Also geschehe es!«
Es kam die Gotteshand herab über des Sohnes Haupt und trennte die Liebe von der Gerechtigkeit. Ein Mantel legte sich dabei über Marias Schultern von herrlich leuchtendem, strahlendem Schwarz.
Maria glühte wie das Licht der Heiligen Schale in Irmingards Händen. Von oben floß die Kraft des Vaters und Maria hielt ihre beiden Hände über den Heiligen Gral. Sie betete.
Aufflammend verstärkte sich dabei das Weißlicht ihrer Krone, die einer funkelnden Rosenranke gleicht. Die Urkönigin nahte ihr und hüllte sie noch fester in den Mantel ein, dessen Beschaffenheit erst seine Schutzwirkung in der Kraft der Erfüllungen erhält. Im Sinken in die Stofflichkeit der Schöpfung verändert er sich immer in die jeweilige Art, welche Maria für den Schutz benötigt. Denn die Liebe aus Gerechtigkeit ist so rein, daß sie ohne Umhüllung in der Stofflichkeit im Strom der verdunkelten Welten niemals bestehen könnte. Immer würde sie angeworfen und verdunkelt werden von dem Übel aus Luzifer.
Das Gebet Marias zu dem Herrn steigerte sich zu der höchsten Kraft. Wie heilige Flammenzungen umstanden die seligen Geister ihren König Parzival. Maria betete noch immer, und langsam, auf den Strahlen, die die Reine Lilie im Wollen ihrer Eigenart von Ebene zu Ebene hinabsandte, stieg Maria stufenweise im Gebet hinab zur Erde! —
In jeder Ebene bewirkte sie den starken Zustrom lichter Kraft. Als würden sie mit neuem Leben erfüllt, so empfanden die reinen Geschaffenen den Durchgang der himmlischen Liebe. — —
Zur Zeit dieses Geschehens lebte auf der Erde in der Nähe Trojas ein einsamer Hirt: Perikles. Ihm war die Gabe, mit dem Geiste vieles zu erschauen und zu hören, was den anderen verborgen blieb.
Der Abend senkte sich schon über Troja; stille ward es auf den Weiden. Die Schafe und die Ziegen sammelten sich und keines verfehlte dabei seinen Platz. Sie atmeten leise, als lauschten sie. Die Flöten tönten spärlich nur als Nachtgruß der zerstreuten Hirten. Schon glommen auch die ersten klaren Sterne an dem Abendhimmel auf. Still, feierlich wurde es in der Seele des Perikles.
Ihm war, als zögen aus dem fernen Osten helle Scharen immer näher, über Berge, Flüsse, Wälder, als höre er jubelndes Singen von Stimmen, wie er ähnlich nie etwas vernommen hatte.
Da fühlte er sich plötzlich sanft berührt an seinem Scheitel, wie von kühlen, feinen Fingern, und er blickte auf. Geblendet aber mußte er die Augen schließen. Erst nach bangen Augenblicken konnte er deutlich erkennen, daß vor ihm in einem Strahlenglanze ein schöner Jüngling stand und zu ihm sprach. Aber die Stimme war so groß und so gewaltig, daß er vor ihrem Brausen kaum den Sinn des Gesagten aufnehmen konnte.
»Ich bin ein Bote Gottes«, sprach der Leuchtende. »Ich verkünde Euch ein großes Glück. Gehe Du hin, Perikles, und sage allen, die da glauben wollen: es gehet ein Licht auf über Troja! Wenn Ihr dies Licht erkennet, dann wird es Euch die Fülle des Lebens geben. Wenn Ihr es aber nicht erkennet, so seid Ihr des Todes!«
Perikles war aus Schwäche unter dem gewaltigen Lichtdrucke in die Kniee gesunken. Er zitterte, war bleich und kalt. Die Kraft des verkündenden Engels war zu groß für ihn.
Aber eine Frage entrang sich dennoch seinem Munde:
»Wie sollen wir aber das Licht finden, Herr?«
»Du wirst es schauen in der Stunde seines Kommens. Es wird eine lichte Taube über dem Hause stehen!«
Der Leuchtende hauchte ihn an und verschwand vor seinen Augen in Nichts.
Und es kam großes Bewegen in die Welt. Perikles merkte es. Seine feinen Beobachtungsorgane verschärften sich noch mehr. Er, der dauernd eng mit der Natur Verwachsene, fühlte das Aufleben von Pflanze und Tier. Es war, als ob alle Wesen sich reckten, strafften und emporstrebten in neuem Glanz. Das Flüstern in der Luft verstärkte sich, das Rauschen in den Flüssen und den Quellen kam zu sonderbarer Steigerung.
Wie eine helle, zarte Lichtstraße bildete sich ein Schein vom Himmel bis herab zur Erde Ganz sonderbar geheimnisvoll, ja ehrfurchtsvoll berührte dieser Lichtstrom seine Seele.
Er sprach seinen Genossen frei davon, doch diese starrten himmelan und konnten nichts erkennen. Doch sie sagten zuversichtlich:
»Es wird wohl so sein, wenn Perikles es sagt.«
Er bereitete sie auf das Kommen des großen Lichtes auf Erden vor.
Die Hirten glaubten ihm, aber sie dachten nicht darüber nach. Sie empfanden auch nicht jene starke Freude, die nur dem Geiste gegeben ist, der wach und bereitet ist für Gottes Liebe. Sie warteten zu, was sich ereignen würde. — Ein Raubfuchs, der in die Herde brach, oder ein krankes Schaf vermochte besser ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Perikles fühlte es. Er war nicht davon überrascht und schwieg. Je mehr er aber schwieg, um so stärker fühlte er alle die jenseitigen hohen Kräfte, die sich ihm näherten.
Er blickte hinab auf die schlummernde Stadt, die im leisen Abendnebel war. Es zitterten flammende Fackeln an vereinzelten Häusern und Toren auf — die Vorboten der Nacht. Im Osten war die tiefe Bläue schon einem farblosen Dunkel gewichen, im Westen aber war es noch hell am Himmel und ein roter Streifen säumte das Meer.
Alle Naturwesenheiten waren verschwunden. Ihm aber war, als glühe aus ihm selbst ein heller Schein, ein Licht, wie aus einer Lampe. Er blickte sich um; denn er meinte, es müsse einer seiner Genossen mit einem Licht herangekommen sein. Dem war aber nicht so. Er sammelte seine Gedanken, warf sich nieder; denn das Herz war ihm so übervoll — und betete. Die stille Lösung tat ihm wohl; er war sich klar geworden, daß er auf etwas wartete, auf irgend etwas Großes, das ihn im Geiste machtvoll ergreifen würde. Er gedachte wieder an den Boten Gottes.
Wie hatte er gesagt? »Ich bin der Bote Gottes!« Von welchem Gott hatte er da gesprochen? Als er so stille saß und sann, gelöst und voll Vertrauen, voller Demut, da drang eine Stimme deutlich und klar durch ihn:
»Es ist nur ein Gott! Wir alle dienen Ihm, wir sind nur Auswirkungen Seines Willens.«
Das klang von oben aus den Lüften.
»Wir weben in Seinem Gesetz, aber das Licht, das jetzt zu Dir kommt, das ist aus Ihm.«
Ihm schwindelte; denn alles das war ihm so neu.
Der Himmel hatte sich nächtlich umkleidet, die Sterne glühten wie in regenfeuchten Nächten, wenn ein warmer Wind den Himmel rein geblasen. Milde Schwere lag auf der feucht-duftenden Erde.
Da war es, als käme ein leuchtender Flammenstrom vom Himmel! Nur eine Sekunde war die ganze Gegend in weißes Licht getaucht. Perikles wollte die Augen schließen, doch blieben sie weit auf wie unter einem Zwang.
Und er sah eine blendend weiße Taube über sich, sie trug eine goldene Rose im Schnabel. Ihr Flug war leise gleitend. Sie senkte sich auf das Schloß des Priamus und verschwand.
Der Hirte stand auf, ließ seine Herde und eilte hinab in die Stadt, es dem Könige zu sagen.
Und ein Jubel klang wie Glockenläuten in seiner Seele:
»Es ist nur ein Gott, aber das Licht, das jetzt zu Dir hernieder kommt, das ist aus IHM!«
Und also geschah, daß der Hirte vor Priamus trat und ihm erzählte, was ihm so Wunderbares begegnet war.
Priamus hörte ihn an. In seiner klaren, gütigen Weise ließ er den Mann wohl ausreden. Er selbst war aber zu sehr Mensch des irdisch praktischen Daseins, um die ganze Tiefe dieses Erlebens zu verstehen.
Er wußte: Die Hirten sind ein wunderliches Völkchen, ganz für sich. Er glaubte ihnen wohl, und gerade von Perikles‘ Weisheiten hatte er schon viel Gutes erfahren. Aber schlicht, einfältig und erfüllt von den Sorgen des irdischen Daseins, bekümmerte er sich wenig um jene feinen besinnlichen Vorgänge der Seele.
»Du hast eine Botschaft gebracht, zu der Stunde, da mir ein Mägdlein geboren ward, Perikles. Das Kind mag im besonderen Schutze der Götter stehen. Anderes begreifet nicht das Menschengeschlecht. Wir wollen treulich das Rechte tun, dann dienen wir auch den Göttern. Das Ewige hat Zeit bis nach dem Tode.«
Da brauste es wie ein Sturm auf aus des Hirten Geist:
»Wahre Dich, Priamus! Besinne Dich, achte jedes meiner Worte; denn sie wiegen schwer. Nicht ich habe sie geredet, sondern der Bote Gottes, der kommt nicht um kleiner Dinge des Alltags willen. Denke nicht nur an göttlichen Schutz des Kindes, gedenke auch der drohenden Worte, die seine Kunde begleiteten: »Es geht ein Licht auf über Troja! Wenn Ihr dieses Licht erkennt, dann wird es Euch die Fülle des Lebens geben. Wenn Ihr es aber nicht erkennet, so seid Ihr des Todes!« — Drohend klang des Hirten Stimme.
In diesen Stunden begann ein gewaltiges Menschheitsschicksal schwingend seine Bahn fortzusetzen, aber die Menschen merkten nichts davon.
Perikles fand keine Ruhe. Er wanderte durch die Stadt und zu den Hirten, den Bauern, er verließ seine Herde, um des Wortes des Engels willen. Er näherte sich den Fischern, die sollten seine Kunde ins Meer hinaus auf die Insel tragen. Er besuchte die Kaufleute, die anlegten an Trojas Strand, damit sie über die Meere die Botschaft des Engels trügen.
Aber die Königin Hekuba, die Mutter des Mägdleins, wollte es nicht dulden. Erst kam von ihr ein Gebot zu schweigen, daß nicht das Volk erregt werde. Dann eine Drohung an Perikles, zum dritten Male aber wurde er des Landes verwiesen.
Perikles wanderte betrübt durch Troja und schüttelte den Staub von seinen Füßen; er ließ sogar am Strande seine Fußfelle zurück.
»Sage der Hekuba: Das Geschick Trojas wird des Engels Botschaft nicht der Lüge überführen, sondern es werden sich die Worte erfüllen, so Ihr Euch nicht ändert: »Wenn Ihr dies Licht aber nicht erkennet, seid Ihr des Todes!«
Diese Worte trug er als letzte Botschaft einem der Seinen auf.
Und schwer senkte sich eine unheilkündende, trübe Wolke über Troja, während der einzige Mensch, in dem das Korn der Wahrheit aufblühte, das Land verließ. —
Die beengte Menschheit hörte nicht auf Kassandras Weisheitsrufe. Deshalb mußte der Sturz Trojas kommen mit dem ganzen so versagenden Geschlecht.
Wenn auch Maria ohne Erfolg bei den trägen Menschengeistern wieder von der Erde gehen mußte, blieb trotzdem das Licht zur Menschheitshilfe darauf noch verstärkt verankert, und der Gottessohn Jesus konnte in dem gleichen Strahle niedersteigen, um in Liebe das Wort Seines Vaters der törichten Menschheit als ein letztes Rettungsseil in höchster Not zu bieten. Bis dahin zog sich eine helle Linie der andauernden Lichthilfe durch alles Menschensein.
Als aber Jesus von der haßerfüllten Menge an das Kreuz geschlagen wurde, brach jede Verankerung des Lichtes auf der dunklen Erde ab, auch die, die Parzival und Irmingard dereinst begannen, die Maria als Kassandra neu erstarken ließ. Das Licht zog sich zurück und überließ die Erdenmenschheit, die es roh zurückgestoßen hatte, ihrem selbstgewollten Schicksal.
Erst das Wiederkommen Parzivals als Abd-ru-shin knüpfte von neuem eine Lichtbahn an, damit die Erde nicht verloren gehen muß in dem Gericht.
Es folgten ihm diesmal nach dem Heiligen Willen Gottes auch Maria, als Verkörperung der Gottesliebe, und nochmals Irmingard, die Reine Lilie, die ihre Treue dazu trieb. Sie fanden sich zur festgesetzten Stunde.
Und Parzival bahnte den Weg für das Herabsteigen Imanuels, des Menschensohnes zum Gericht und zu dem Aufbaue des Gottesreiches hier auf Erden. Imanuel nahm die jetzige Erdenhülle Parzivals gereinigt und durchglühet in Besitz und wird erfüllen, was verheißen ist seit langem.
Das Mysterium der dreigeteilten Sendung für die große Weltenwende ist in vielen Arten schon geschildert worden. Für Menschen am begreiflichsten und bildhaft auch am schönsten gibt es jedoch eine Niederschrift, welche durch die Hand einer in dem Gral Dienenden aus reingeistigen Höhen klar vermittelt werden konnte. Sie schildert ein Bild, wie es nur in reingeistigem Wollen zu erschauen möglich ist. Die Worte sind den tiefer in das Schöpfungs-. wissen Eingeweihten nur gegeben und sie lauten:
»Des Lichtes Liebe umgibt die Vollendung des Himmelstrigons mit herrlichen Strahlen.
Unaufhörlich flutet ein Heiliger Lichtstrom aus dem Herrn nieder zu den Erdgestiegenen, und es ist des Lichtes Himmelsglanz dreigeteilet und umziehet in dreifachem Strom des Trigons Vollendung in der Grobstofflichkeit.
Heiligste Kraft des Vaters fließet zu dem Sohne Imanuel in Ewiger Allmacht. Heiligste Liebe strömet aus Jesus zu Maria, der Liebe des Herrn. Der Urkönigin lichte Reinheit aber flutet zu der Lilie Lichtgestalt.
Das Heilige Ewigkeitsauge des Herrn aber strahlet darüber und blicket voll Liebe auf die nieder, die Seinem Herzen entstiegen und die Ihm doch ewig nahe geblieben, weil sie Licht Seines Lichtes, Ewigkeit Seiner Ewigkeit und Liebe aus Seiner Liebe sind.
Eines im Vater und vereinet dem Vater wirket Imanuel und ist doch auch eines für sich in derselben Wesenlosen Heiligkeit, in der Maria den Mantel löset von ihren Schultern und eingehet in Imanuel den Wesenlosen, Wesenlos wie Er selbst.
Und es schwinget die Lilie sich empor aus dem Garten Gottes und leget das schimmernde Haupt in die Heiligen Hände Imanuels, der sie hebet an Sein Herz. Er hat ihr geschenket letzter, höchster Liebe Geheimnis, in dessen Strahl sie einzugehen vermag in das Heiligste Urlicht des Herrn.«
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Wer aber ehrlich und in Demut nach dem Lichte sucht, in dessen Seele wird es heller dadurch werden und er wird erfassen können manches, was den Geistesträgen stets verborgen bleiben muß. Es wird ihm im Vereine mit der Gralsbotschaft alles Gezeigte und Gesagte eine große Hilfe sein!
GESCHRIEBEN VON EINEM BERUFENEN IN DER NÄHE DES HERRN, ABDRUSCHIN.
(Bitte drucken Sie den Vortrag auf Papier aus, er ist schöner und einläuchtender zu lesen als im Internet!).
Eine gesegnete Schrift aus dem RUF, in den Jahren 1928-1931 Vomperberg Tirol.